So Entstand die Bibel Teil 1

AdmFrankoforte

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Vorwort

Die Bibel ist das Wort Gottes, die Offenbarung Gottes an uns Menschen. Sie zeigt in einzigartiger Weise, schonungslos offen und dennoch voll göttlicher Barmherzigkeit, wer Gott ist, wo der Mensch moralisch vor Gott steht und wie er in Gemeinschaft mit Gott kommen kann.

Sie redet mit Autorität über die wahren Ursachen der persönlichen, sozialen und religiösen Nöte des Menschen.

Dennoch wird diese Bibel, das Wort Gottes, angegriffen, verachtet, lächerlich gemacht oder einfach ignoriert.

Wie kommt es eigentlich, daß die Bibel alle Angriffe überlebt hat und auch heute noch das meistgekaufte und am weitesten verbreitete Buch der Welt ist?

Hat das nicht seinen Grund darin, daß dieses Buch »Geist und Leben« ist? Gottes Kraft entfaltet sich in diesem Buch, ja es ist von Gottes ewigem Odem gegeben, es ist das inspirierte Wort, von Gott gehaucht. Auch in der Zukunft wird dieses Buch jedem aufrichtigen Leser zeigen, wodurch es seinen wunderbaren literarischen und moralischen Wert hat. Der Herr Jesus Christus sagt: »… die Schrift kann nicht aufgelöst werden« (Johannesevangelium, Kapitel 10, Vers 35).

In aktueller Zeit werden vielfach kritische Anfragen an die Bibel laut, in Bezug auf theologische, archäologische, naturwissenschaftliche, historische und literarische Zusammenhänge. Das Ziel dieses Buches (das auch als Bildband erhältlich ist – siehe Hinweis auf letzter Seite) besteht darin, vor allen Dingen den ehrlich fragenden Menschen Antworten auf diese Fragestellungen zu aufzuzeigen.

Dr. rer. nat. Dr. phil. W. J. Ouweneel schrieb die Forschungsmanuskripte, die anschließend verschiedenen Wissenschaftlern (Theologen, Archäologen, usw.) zugeschickt wurden. Ihre Randbemerkungen und Kommentare wurden in diesem Buch verwertet.

Das Wort Gottes wird im Jakobusbrief (Kapitel 1, Vers 23) mit einem Spiegel verglichen. Dieses Buch erzählt uns etwas von der Beschaffenheit und dem herrlichen Wert des Spiegels, aber damit kennt der Leser noch nicht den Spiegel an sich. Es ist gut, über die Herstellung, Funktionsweise usw. eines Spiegels informiert zu sein, aber viel besser ist es, den Spiegel selbst zu gebrauchen, ja täglich hineinzuschauen.

So ist es auch sinnvoll und gut, etwas über die Entstehung, Überlieferung, Inspiration und Autorität der Bibel in diesem Buch zu erfahren, aber wesentlich besser ist es, das Wort Gottes selbst zu sich reden zu lassen und sich so in das Licht des großen, allmächtigen und liebenden Gottes zu stellen, von dessen Barmherzigkeit wir Menschen täglich abhängig sind.

Um dem Leser dabei eine Hilfe zu bieten, ist diesem Buch auch das neue Computer-Bibelprogramm »Bible Workshop Spezial« beigefügt. Dieses deutschsprachige Programm bietet eine Online- Hilfe für Win95, WinNt und Win3.x und eine leicht zu bedienende Benutzeroberfläche. Es enthält eine deutsche Bibel (Übersetzung von F.E. Schlachter 1951) mit extrem schneller Konkordanz (Wort- und Bibelstellenabfrage).

Mehrere deutschsprachige Bücher und Nachschlagewerke sind in das Bibelprogramm interaktiv eingebunden.

»Aber die Weisheit, wo wird sie erlangt? Und welches ist die Stätte des Verstandes? Kein Mensch kennt ihren Wert, und im Lande der Lebendigen wird sie nicht gefunden. Die Tiefe spricht: Sie ist nicht in mir; und das Meer spricht: Sie ist nicht bei mir. Geläutertes Gold kann nicht für sie gegeben, und Silber nicht dargewogen werden als ihr Kaufpreis. Sie wird aber nicht aufgewogen mit Gold von Ophir, mit kostbarem Onyx und Saphir …

Gott versteht ihren Weg, und er kennt ihre Stätte … Er stellt sie hin« (Buch Hiob, Kapitel 28, Verse 12-15,23 und 27).

Die Bibel ist ein gewaltiges Buch!

Wir stehen am Anfang einer langen Reise, einer Forschungsreise durch den geschichtlichen Hintergrund der Bibel und durch die Bibel selbst. Wir wollen sie öffnen und sie in erster Linie selbst zu Wort kommen lassen. Das kann eine erstaunliche Ausbeute ergeben, denn die Bibel ist ein dickes Buch – oder besser: eine Sammlung von Büchern. Sie ist eine ganze Bibliothek von nicht weniger als sechsundsechzig Büchern: historischen Berichten, Lebensbildern, Gedichtsammlungen, Prophetien, Briefen, Aufsätzen, usw. Es ist keine Kleinigkeit, die Bibel zu Öffnen mit dem ernsthaften Wunsch, ihren Inhalt kennenzulernen. Sie ist ein sehr altes Buch, zum Teil ungefähr 3400 Jahre alt, oder sogar noch älter. Sie ist ein Buch aus einer ganz anderen Zeit, einer ganz anderen Kultur, und das will berücksichtigt werden.

Eins muß vorweggesagt werden: Weil viele Menschen heute so misstrauisch an die Bibel herangehen, müssen wir uns ernsthaft mit den Vorurteilen befassen, um ihre Beweggründe zu verstehen. Diese zwei Punkte: die historischen Bedingungen, den Hintergrund der Bibel, sowie die kritischen Fragen an die Bibel werden wir zuerst unter die Lupe nehmen müssen. Schon dabei wird sich uns die Bibel öffnen; denn es kann gut möglich sein, daß sie selbst uns das eine oder andere über ihre Entstehungsweise zu sagen hat oder über die Kritik, die an ihr geübt wird.

Der erste Teil unserer Ausführungen behandelt also die Frage, wie wir zu unserer Bibel gekommen sind: Wie ist sie entstanden? Wie ist sie überliefert worden? Welche Sicherheiten haben wir in Bezug auf die Genauigkeit des Bibeltextes, wie wir ihn heute vorliegen haben? usw. Dabei wird zugleich schon ein Stück »Bibelkritik« behandelt, da in den letzten Jahrhunderten Theorien aufgekommen sind, die sich die Entstehung unserer heutigen Bibel ganz anders vorstellen, als das vorher üblich war. – Der zweite Teil wird dann näher auf die Zuverlässigkeit – weniger der Textüberlieferung, sondern des Inhalts – eingehen. Seit dem Aufkommen der modernen Naturwissenschaften, der modernen Geschichtsschreibung und der Archäologie ist die naturwissenschaftliche und die historische Zuverlässigkeit der Bibel bei vielen ziemlich in Mißkredit geraten. Andere wiederum halten daran fest, daß, wenn wir nur die Tatsachen der Wissenschaft von den Behauptungen und Philosophien zu unterscheiden wissen und keine verkehrten Aussagen in die Bibel hineinlegen, die Bibel die Angriffe, die im Namen der Wissenschaft gemacht werden, überstehen kann. Das wäre für ein so altes Buch natürlich sehr bemerkenswert, und wir werden diesen Punkt noch eingehend untersuchen müssen.

Warum eigentlich?

Nun kann man sich natürlich fragen: Warum nur so viel Lärm um ein Buch? Gibt es denn nicht noch viele andere interessante Bücher auf der Welt? Es gibt doch auch große und alte religiöse Werke, die in anderen Glaubensrichtungen eine genauso wichtige Rolle spielen wie die Bibel im Christentum? Das ist so, aber doch glauben wir, daß die Bibel sich von allen anderen Büchern in der Welt grundlegend unterscheidet. Wir sagen es frei heraus: die Bibel ist in jeder Hinsicht vollkommen einzigartig in der Geschichte der Menschheit. Das ist natürlich eine starke Behauptung, und wir werden sie untermauern müssen. Wir wollen es Ihnen aber von vornherein sagen, damit deutlich wird, warum wir gerade über die Bibel sprechen wollen. Wir werden versuchen, im Laufe unserer Ausführungen zu beweisen, was wir hier behaupten.

In vielerlei Hinsicht ist das gar nicht so schwer. Es gibt nämlich eine ganze Menge wirklich objektiver Gründe, die jedem Menschen deutlich machen müßten, daß die Bibel ein einzigartiges Buch ist. Dazu braucht man weder Christ noch religiös zu sein, das werden wir gleich zeigen. Aber wir können schon von vornherein sagen, daß eine solche Schlußfolgerung große Konsequenzen hat: Denn wenn die Bibel unter den Millionen Büchern der Welt vollkommen einzigartig ist, dann kann man daran nicht einfach so vorbeigehen. Wenn wir beweisen könnten, daß die Bibel einzigartig ist, würde damit zwar noch nicht bewiesen sein, daß die Bibel wahr und zuverlässig, ja Gottes Wort ist. Aber wenn es auf der Erde ein Buch oder Bücher gibt, die vorgeben, Worte Gottes zu sein, dann können wir auf keinen Fall vorbeigehen an »dem Buch«, das sich von allen anderen Büchern unterscheidet und unter ihnen seinesgleichen sucht. Wie ein Dozent zu einem Studenten sagte, der nach der Wahrheit suchte: »Wenn Sie eine intelligente Person sind, dann werden Sie das Buch lesen, das mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat als alle anderen Bücher – wenn Sie auf der Suche nach der Wahrheit sind!« Nehmen wir beispielsweise die Aussage eines Sprachwissenschaftlers (M. Montiero-Williams, Professor für Sanskrit, eine alte indische Sprache), nachdem er 42 Jahre orientalische Bücher studiert hat: »Stapeln Sie sie, wenn Sie wollen, auf die linke Seite Ihres Schreibtischs; aber legen Sie Ihre eigene Bibel auf die rechte Seite – ganz für sich, ganz separat – und mit viel Platz dazwischen. Denn… es gibt eine Kluft zwischen ihr und den sogenannten heiligen Büchern des Ostens, die das Eine vom Andern total, hoffnungslos und für alle Zeit scheidet… Eine ganz reale Kluft, die von keiner Wissenschaft des religiösen Denkens überbrückt werden kann.« So einzigartig ist die Bibel! Auf seinem Sterbebett bat Sir Walter Scott seinen Schwiegersohn, ihm aus »dem Buch« vorzulesen. Als dieser ihn fragte, welches Buch er meine, antwortete Scott: »Es gibt nur ein Buch, das es wert ist, ,Das Buch’ genannt zu werden: die Bibel.« Möchten Sie uns begleiten auf unserer Entdeckungsreise nach der vollkommenen Einzigartigkeit dieses Buches?

Die Einzigartigkeit ihrer Entstehung

Wir werden sieben einmalige Kennzeichen der Bibel aufzeigen, und dann dürfen Sie selbst Ihre Schlußfolgerungen daraus ziehen. Erstens: Niemand kann leugnen, daß die Bibel einzigartig ist in ihrer Entstehungsweise. Nehmen Sie irgendein Buch und prüfen Sie, wie es entstanden ist. Normalerweise geht jemand, der ein Buch schreiben möchte, folgendermaßen vor: Er sammelt Material, entwirft ein Schema für das Buch, schreibt oder diktiert den Inhalt und läßt das Ganze vervielfältigen oder drucken. Handelt es sich jedoch um ein Buch, das von mehreren Autoren geschrieben wird, müssen sie sich erst zusammensetzen und einen Plan entwerfen, der zeigt, wie das Buch aussehen soll. Sie müssen absprechen, wer welchen Beitrag zu dem Buch liefern soll, und meistens gibt es noch einen oder mehrere Redakteure, die aus allen Beiträgen ein zusammenhängendes Ganzes machen.

Aber die Bibel ist in dieser Hinsicht vollkommen einzigartig. Sie wurde von mehr als vierzig Schreibern verfaßt, die sich gegenseitig nicht kannten. Das war auch kaum möglich, denn sie schrieben das Buch in einem Zeitraum von mindestens 1500 Jahren, vielleicht noch viel mehr, wie wir später zeigen werden. Es ist ein großes Wunder, wie die Bibel langsam, über mehr als fünfzig Generationen, zu dem Buch wurde, das wir heute haben. Ohne irgendeinen Plan oder Entwurf fügte sich von Jahrhundert zu Jahrhundert ein Teil zum anderen, bis die Bibel komplett war. Die Schreiber der Bibel kamen aus sehr unterschiedlichen Milieus und Kulturen. Da gab es zum Beispiel Mose, den Politiker (unterrichtet in den Weisheiten Ägyptens); Josua, den General; Salomo, den König; Amos, den Hirten; Nehemia, der am Königshof lebte; Daniel, den Staatsmann; Petrus, den Fischer; Lukas, den Arzt; Matthäus, den Zöllner und Paulus, den Rabbiner.

Sie haben an ganz verschiedenen Orten und unter ganz unterschiedlichen Umständen geschrieben. Mose schrieb in der Wüste, Jere- mia in einem Kerker, David auf den Bergen und in seinem Palast, Paulus im Gefängnis, Lukas während der Reise, Johannes, als er im Exil auf der Insel Patmos lebte, andere während der Spannungen eines militärischen Feldzugs.

Sie schrieben in verschiedenen Gemütsverfassungen: der eine in großer Freude, der andere in Trauer und Verzweiflung. Sie verfaßten ihre Bücher in drei verschiedenen Weltteilen: Asien, Afrika und Europa. Sie schrieben in drei Sprachen: das Alte Testament größtenteils in der hebräischen – und kleine Teile in der (verwandten) aramäischen Sprache, das Neue Testament war griechisch abgefaßt. Und aus allen diesen verschiedenen Quellen und Zeiten entstand ein Buch. Mose verfaßte fünf Bücher. Als David regierte, waren wieder ein paar dazugekommen. Kurz nach der babylonischen Gefangenschaft, zur Zeit des Schriftgelehrten Esra, war das Alte Testament, Buchstabe für Buchstabe, Wort für Wort, Satz für Satz, nahezu fertig. Vierhundert Jahre vor Christi Geburt war das Buch fertiggestellt, das wir heute unverändert vor uns haben. Wie uns der Geschichtsschreiber Flavius Josephus berichtet, respektierte man das sogenannte Alte Testament so sehr, daß niemand es gewagt hätte, im Laufe der Jahrhunderte etwas hinzuzufügen oder hinwegzutun.

Die Entstehung des Neuen Testaments ist fast noch wunderbarer als die Entstehung des Alten Testaments. Soweit wir wissen, hat Christus selbst nie auch nur einen Satz als göttliche Offenbarung geschrieben! Und seine Jünger, die Juden waren, hätten niemals gewagt, dem Alten Testament auch nur einen Satz hinzuzufügen. Sogar 50 Jahre nach der Geburt Christi hatte man aller Wahrscheinlichkeit nach noch keinen Buchstaben des Neuen Testaments geschrieben. Aber dann geschah das Wunder. Ohne daß vorher ein Plan verfaßt wurde, entstanden die Bücher des Neuen Testaments. Sie wurden geschrieben von ganz unterschiedlichen Menschen, die oft weit voneinander entfernt lebten: Hier entsteht eine Lebensbeschreibung von Jesus Christus, dort entsteht ein Brief, etwas weiter wird ein wundervoller Aufsatz geschrieben (wie z. B. der Hebräerbrief). Wieder irgendwo anders entsteht ein neutestament- liches Werk mit prophetischer Bedeutung. Diese Schriften kursieren und werden gesammelt von Christengemeinden, die wohl kaum Schwierigkeiten haben mit der Frage, welche Bücher nun zu dieser Kollektion gehören und welche nicht. Ihre Ehrfurcht vor diesen Schriften ist so groß,, daß das Neue Testament sofort von nahezu allen Christen anerkannt wird und fast niemand die Dreistigkeit hat, irgend etwas hinzuzufügen oder hinwegzutun. Man beachte: Die Verfasser der vier Evangelien setzten sich nicht erst zusammen und kamen nach ernstem Gebet und vielen Überlegungen zu der Überzeugung, daß Matthäus über Christus als den König schreiben sollte, Markus ihn als Diener zeigen, Lukas ihn als wahren Menschen und Johannes ihn als Gottes Sohn darstellen sollte. Nichts dergleichen. Auch die anderen Schreiber kamen nicht zusammen, um festzulegen, daß beispielsweise Paulus und Johannes mehr über die christliche Lehre (und das jeder von einem anderen Gesichtspunkt aus) und Jakobus und Petrus mehr über das praktische Christsein schreiben sollten. Davon kann keine Rede sein. Aus einem tiefen Bedürfnis heraus versuchte jeder, einen bestimmten Aspekt zu beleuchten – aber als alle Werke fertiggestellt waren, war eine wunderbare Einheit entstanden.

Die Einzigartigkeit ihrer Einheit

Dieser Punkt entspringt direkt der Einzigartigkeit der Entstehung der Bibel. Wie konnten so viele Verfasser aus so vielen Generationen von solch total verschiedenen Hintergründen und Umgebungen ohne jede Absprache ein Werk schreiben, das so vollkommen in seiner Einheit ist? Betrachten wir es von einer anderen Seite: Stellen wir uns vor, daß zehn der berühmtesten Schriftsteller der Welt, die dieselbe Lebensweise haben, derselben Generation angehören,

dieselbe Kultur haben, dieselben Auffassungen vertreten, am selben Ort wohnen, sich in der gleichen Gemütsverfassung befinden und dieselbe Sprache sprechen, daß diese also etwas schreiben wollen über ein umstrittenes Thema – würde das Geschriebene dann miteinander übereinstimmen? Das ist unmöglich. Aber wie kommt es dann, daß das in der Bibel wohl der Fall ist?

Beachten wir, daß die Bibel über Hunderte von umstrittenen Themen spricht (Themen, über die sehr unterschiedliche Meinungen bestehen). Die Autoren der Bibel schreiben über Geschichte, Theologie, Philosophie, über den Kosmos, die Natur und über den Menschen; sie schreiben »gewagte« Prophetien, Lebens- und Reisebeschreibungen. Sie scheuen sich nicht, die schwierigsten und tiefsinnigsten Themen anzuschneiden. Darüber konnten sie unmöglich miteinander beraten. Aber woher kommt dann diese Harmonie und Einheit in der Bibel? Oft haben Menschen gemeint, Unterschiede und Widersprüche gefunden zu haben (wir werden noch einigen begegnen). Aber es scheint, daß sie dann nicht gewissenhaft genug gelesen oder den Kontext (d. h. den Textzusammenhang) und den Hintergrund des Geschriebenen außer acht gelassen haben. Wo sie (oft sehr naiv) Widersprüche zu sehen glaubten, stellten sich diese oft nur als verschiedene Aspekte ein und desselben Themas heraus, die einander wunderbar ergänzen. Alle Streitigkeiten über die Bibel haben nur dazu geführt, daß ihre perfekte Harmonie sich noch deutlicher abzeichnete.

Natürlich behaupten wir hier Dinge, die im Grunde noch bewiesen werden müssen. Aber wir müssen einmal irgendwo anfangen, und die Harmonie der Bibel kann sich erst als echt erweisen nach ihrem gründlichen Studium. Der Leser muß hier selbst auf Entdeckungsreise gehen. Er wird dabei feststellen, was Millionen vor ihm entdeckten: Die Bibel ist eine wunderbare Einheit. Sie besteht nicht aus wahllos zusammengewürfelten verschiedenen Werken, sondern es existiert eine Einheit, die das Ganze miteinander verbindet. Das ist auch wichtig für die Bibelauslegung. Genau wie jeder Teil des menschlichen Körpers nur richtig erklärt werden kann im Zusammenhang mit dem Rest des Körpers, so kann auch ein einzelner Teil der Bibel nur im Zusammenhang mit dem Rest der Bibel richtig ausgelegt werden. Es gibt wohl kaum eine Regel in der Exegese (Bibelauslegung), die so oft achtlos übertreten wird wie diese.

Der »rote Faden«, der sich durch die ganze Bibel zieht, verdeutlicht ihre Einheit. Von der Genesis bis zur Offenbarung geht es um die großen Fragen: »Wer ist Gott?« und »Wer ist der Mensch?«. Darauf folgt die wichtige Frage: »Gibt es die Möglichkeit einer Verbindung zwischen Gott und dem Menschen, und wenn ja, wie?« Die Einzigartigkeit der Bibel besteht darin, daß sie in der Beantwortung dieser Fragen nicht auf ein liturgisches Programm oder eine Reihe religiöser Verpflichtungen hinweist. Ein Mensch kann den Forderungen Gottes ohnehin nicht entsprechen. Ihr Zentralthema ist eine Person: Jesus Christus – er ist der einzig wahre Weg für den Menschen zu Gott. Das ganze Alte Testament weist im Grunde, sei es durch Bilder, sei es durch direkte Verheißungen, auf diese Person hin. Das Neue Testament zeigt uns die Erfüllung der Verheißungen und die Bedeutung und die Folgen des Kommens Christi. In dieser Einheit ihrer Thematik ist die Bibel einzigartig. Nur dadurch ist es auch möglich geworden, aus der Bibel eine zusammenhängende und konsequente christliche Lehre aufzubauen.

Die Einzigartigkeit ihrer Aktualität

Tausende von Büchern wurden auf der Welt geschrieben, die innerhalb einer Generation total in Vergessenheit gerieten. Viele Bücher wurden herausgegeben, die größeres Interesse genossen haben. Aber wie viele Bücher gibt es, die schon Jahrhunderte alt sind und noch sehr regelmäßig und mit großem Interesse von sehr vielen Menschen gelesen werden? Welche Bücher des Mittelalters werden noch in großer Auflage gedruckt und von einem breiten Publikum gelesen? Welche klassischen Werke werden außer von Forschern und geplagten Schülern noch regelmäßig von vielen Menschen gelesen? Und würde das geschehen, dann mehr aus historischem Interesse, und nicht, weil solche Bücher gegenwärtig so besonders aktuell wären.

Was hat es dann mit der Bibel auf sich, daß es hier so anders ist? Die Bibel ist nicht nur irgendein »altes Buch«. Wir glauben, ruhig behaupten zu können, daß bestimmte Bibelteile sogar zu den ältesten bis heute erhalten gebliebenen Schriften gehören, die die Menschheit besitzt. Und doch werden sie von Millionen von Menschen »verschlungen«. Nicht nur aus historischem Interesse (das besitzt der Durchschnittsbürger nicht so sehr), sondern vor allem, weil die Menschen sehr wohl die Wichtigkeit der Bibel für das Leben in dieser gegenwärtigen Zeit verspüren. Die Bibel wurde in Tausenden von Jahren verfaßt, fast nur von Menschen, die zum selben unauffälligen Völkchen im Nahen Osten gehörten, und zum größten Teil in einer bis vor Kurzem toten Sprache. Wie kann ein derartiges Buch immer noch Millionen von Menschen fesseln? Deutsche lesen hauptsächlich deutsche Bücher, Franzosen lesen hauptsächlich französische Bücher usw., aber die Bibel wurde in Sprachen geschrieben, die beinahe niemand in Westeuropa kennt. Und doch kennt ein großer Teil der Westeuropäer die Bibel sehr gut.

Die Bibel ist ein Buch, das in jede Epoche der Weltgeschichte hineinpaßt. Ob es in Kriegs- oder Friedenszeiten, ob es im finsteren Mittelalter oder im modernen technischen Zeitalter war: Millionen Menschen haben von diesem Buch gezehrt, sich darauf gestützt und fanden Hilfe und Ermutigung. Merkwürdigerweise haben Wissenschaft und technischer Fortschritt das nicht verringert, sondern die Verbreitung der Bibel hat noch zugenommen. Viele haben auch aus eigener Erfahrung bezeugt, daß die Bibel immer neu und erfrischend bleibt. Als man Daniel Webster fragte: »Welchen Teil der Bibel lieben Sie am meisten?« Antwortete er: »Den Teil, den ich zuletzt gelesen habe.«

Die bemerkenswerte Aktualität der Bibel ist universal: Es ist das einzige Buch der Welt, das von den Menschen jeder Klasse und jeden Alters gelesen wird. Daß zivilisierte erwachsene Menschen selten hingebungsvoll ein Kinderbuch lesen, liegt genauso auf der Hand, wie daß ein Kind nicht so schnell ein Buch über Wissenschaft oder Philosophie studieren wird. Ganz anders bei der Bibel: Sie wird den Kleinkindern vorgelesen, und im Alter liest man sie immer noch. Kleine Kinder können die Geschichten und Lehren der Bibel verstehen, während Gelehrte sich über deren tiefsinnigen Inhalt verwundern. Ein solches Buch sucht in der Literatur seinesgleichen!

Die Einzigartigkeit ihrer Verbreitung

Wenn man die Aktualität der Bibel betrachtet und das enorme Interesse, das für dieses Buch besteht, dann ist es nicht verwunderlich, daß die Bibel auch hinsichtlich der Anzahl der Übersetzungen und Auflagen, die von ihr gemacht wurden, einzigartig ist. Die Bibel gehört zu den ersten Büchern, die je übersetzt wurden: Rund 250 v. Chr. wurde das ganze Alte Testament in die griechische Sprache übersetzt. Diese Übersetzung nennt man Septuaginta. Seitdem ist die Bibel um ein Vielfaches mehr übersetzt, überarbeitet und kommentiert worden als jedes andere Buch der Welt. Zurzeit arbeiten weltweit etwa 2000 Fachleute hauptamtlich und weitere 2000 nebenamtlich an Bibelübersetzungen. Im Jahr 1970 war die ganze Bibel in 249 Sprachen und Dialekten erschienen und das Neue Testament in weiteren 329 Sprachen, während in noch einmal 853 anderen Sprachen Teile der Bibel herausgegeben waren; das macht zusammen 1431 Sprachen. Im Jahr 1978 ergab die Zählung 268, 453 und 939, das macht zusammen 1660 Sprachen. Auch in dieser Hinsicht ist die Bibel ohne Beispiel. Dasselbe gilt für die Verkaufsziffern der Bibel. Die Bibel wurde von mehr Menschen gelesen, in mehr Sprachen publiziert und in größeren Mengen verkauft als jedes andere Buch der Welt. Es ist möglich, daß kurzfristig (z.B. einen Monat lang) ein bestimmter Bestseller in größerer Menge verkauft wird als die Bibel; aber auf lange Sicht gesehen gibt es kein Buch, das den Verkaufsziffern der Bibel auch nur entfernt gleichkommt.

Die Bibel (ihr ältester Teil) war das erste geschriebene Buch – und sie war auch das erste gedruckte Buch von Bedeutung: in der Form der lateinischen Vulgata, auf der Druckpresse von Gutenberg. Daher ist sie auch das kostbarste Buch der Welt, denn die Gutenberg- Bibel ist heute pro Exemplar mehr als eine halbe Million DM wert!

Seit der Erfindung der Buchdruckerkunst sind buchstäblich hunderte Millionen Bibeln von den Druckerpressen gerollt. An der Spitze liegt die Erstauflage der New International Version mit 1,2 Millionen Exemplaren, herausgegeben am 27. Oktober 1978, die größte Erstauflage eines Buches in der Geschichte der Buchdruckkunst. Als am 30. September 1952 die Revised Standard Version erschien, waren für die erste Auflage eine Million Exemplare gedruckt worden. Um der Nachfrage nach Bibeln gerecht zu werden, müssen die Bibelgesellschaften und Bibelherausgeber mehr als eine Bibel oder Bibelteil pro Sekunde drucken, Tag und Nacht! Schon allein das Evangelische Bibelwerk in Deutschland gab 1986 591785 Bibeln und 263203 Neue Testamente heraus. Daß die weltweite Verbreitung der Bibel immer noch zunimmt, zeigt die folgende Statistik:

Tabelle

197019781986
Bibeln5.159.0329.280.22213.571.391
Neue Testamente11.717.09212.223.57711.479.594
Einzelne Bibelbücher32.835.30038.104.52144.116.988
Bibelteile123.692.991396.305.430530.960.486
Gesamt173.404.415455.913.750600.128.459

Man kann schon ausrechnen, daß im Jahre 1990 etwa 700 Millionen Bibeln und Bibelteile benötigt werden. Es gibt einen enormen Markt in den Ländern der Dritten Welt, und die Anzahl der Ausgaben in den Sprachen dieser Länder nimmt noch immer zu. Es gibt keinen Zweifel: Ob wir nun an Homer oder Ovid, Augustinus oder Thomas von Aquin, Shakespeare oder Goethe denken, die Bibel übertrifft sie alle mit Leichtigkeit. Niemand kann bestreiten, daß die Bibel in dieser Hinsicht einzigartig ist.

Die Einzigartigkeit ihrer Überlieferung

Ein Buch, das millionenfach aufgelegt und verbreitet wird, läuft natürlich nicht so schnell Gefahr, verloren zu gehen. Aber so war es nicht immer. Ursprünglich wurde die Bibel auf einem Material geschrieben, das leicht verderben konnte. Daher mußte sie während der Jahrhunderte mit der Hand abgeschrieben werden, bis dann die Buchdruckerkunst erfunden wurde. Verglichen mit anderen antiken Werken sind von der Bibel viel mehr Handschriften bewahrt geblieben als von zehn willkürlich zum Vergleich herangezogenen klassischen Werken zusammen. Für ein klassisches Werk sind einige Dutzend Handschriften schon erstaunlich viel. Und die sind dann gewöhnlich mindestens tausend Jahre jünger als die ursprüngliche Schrift. Aber vom Neuen Testament kennen wir nicht weniger als 4000 griechische Handschriften, dazu 13 000 Handschriften von Teilen des Neuen Testaments und daneben noch etwa 9000 Handschriften der antiken Übersetzungen des Neuen Testaments (hauptsächlich lateinisch). Vom Alten Testament haben wir weniger Handschriften, aber im Grunde wurden sie noch sorgfältiger aufbewahrt. Die alten Rabbiner hatten Register aller Buchstaben, Silben, Wörter und Zeilen des Alten Testaments. Außerdem gab es eine bestimmte Gruppe von Männern, deren einzige Aufgabe es war, die Heiligen Schriften mit der größten Sorgfalt zu bewahren und zu kopieren. Wer zählte jemals die Buchstaben, Silben und Wörter von Homer oder Tacitus …?

Die Genauigkeit des Bibeltextes ist sogar so überwältigend groß, daß beispielsweise der Text von Shakespeare (der erst einige hundert Jahre alt ist) bedeutend ungenauer und »korrupter« (d.h. un- sicher, verstümmelt) übersetzt ist als der des Neuen Testaments, das bekanntlich schon etwa 19 Jahrhunderte existiert, davon 14 Jahrhunderte in Manuskriptform. Im ganzen Neuen Testament gibt es nur etwa zehn bis zwanzig Verse, bei denen man nicht ganz sicher ist, wie sie genau lauten. Übrigens wird dadurch die Textaussage nicht wesentlich beeinträchtigt. Aber in den Schauspielen Shakespeares kommen sicher hundert Stellen vor, über die Uneinigkeit besteht; in den meisten Fällen handelt es sich dabei um bedeutsame Aussagen.

Aber die Bibel ist nicht nur einzigartig, was ihre Überlieferung durch die (buchdrucklosen) Zeiten hindurch betrifft, sondern auch was ihr Überleben trotz vieler heftiger Verfolgungen angeht. Seit Jahrhunderten versuchen Menschen, sie zu vernichten und zu verbrennen. Könige und Kaiser, aber auch religiöse Führer haben sich mit fanatischem Eifer dafür eingesetzt. Der große römische Kaiser Diokletian erließ 303 n. Chr. den Erlaß, alle Christen und ihr heiliges Buch zu vernichten.

Es wurde der größte Angriff auf die Bibel in der Geschichte: Hunderttausende Christen wurden getötet, und fast alle Bibel- Handschriften wurden vernichtet. Dennoch erschien die Bibel schon sehr schnell wieder, und die Ironie der Geschichte war, daß schon 22 Jahre später die Bibel von Kaiser Konstantin auf dem ersten allgemeinen Konzil zur unfehlbaren Autorität erhoben wurde. Außerdem gab er Eusebius den Auftrag, fünfzig Kopien der Bibel auf Kosten der Regierung anfertigen zu lassen. Solche Wendungen hat es immer wieder gegeben. Der berühmte französische Rationalist Voltaire, der 1778 starb, behauptete, daß die Bibel innerhalb von hundert Jahren nur noch als Antiquität zu finden sein würde. Aber innerhalb von fünfzig Jahren nach seinem Tod gebrauchte die Genfer Bibelgesellschaft seine Druckerpresse und sein Haus, um Mengen von Bibeln zu produzieren! Versuchen Sie aber einmal, ein Werk von Voltaire zu kaufen: Das dürfte nicht ganz einfach sein.

Dem Römischen Reich folgte das Mittelalter. Die römische Kirche enthielt dem Volk die Bibel so sehr vor, daß jahrhundertelang die Bibel praktisch unbekannt war. Sogar Luther war, wie er sagte, schon erwachsen, ehe er überhaupt eine Bibel zu Gesicht bekam. Aufgrund der Konzilsbeschlüsse und päpstlicher Bannflüche wurden Bibelübersetzungen öffentlich verbrannt und Bibelleser von der Inquisition verurteilt, gefoltert und verbrannt. Das änderte sich erst langsam nach der Reformation. Aber danach entstand, gerade im Schoße des Protestantismus, eine Reihe neuer Attacken besonderer Art: die Angriffe der »Bibelkritik«. Vor allem in Deutschland kam ein ganzes Heer von Rationalisten auf, das sich die wildesten und heftigsten Angriffe ausdachte. Dennoch wurde die Bibel seither mehr verbreitet, mehr gelesen und mehr geliebt als je zuvor. Die Angreifer sind gestorben, ihre Kritik längst widerlegt, doch die Bibel steht immer noch wie ein Felsen. Welches Buch ist damit vergleichbar? Die Bibel ist das meistgeliebte Buch der Welt. Aber erstaunlich ist, daß sie gleichzeitig das meistgehasste und meistkritisierte Buch der Welt ist. Viele Hämmer sind schon auf ihr kaputtgeschlagen und zahllose Grabreden über sie ausgesprochen worden. Kein Kapitel, kein Satz in der Bibel ist diesem Gift entkommen: Gibt es ein zweites Buch in der Literatur, von dem man das sagen kann? Sicherlich, es gibt zahllose Bücher, die auch gründlich kritisiert wurden. Aber sie sind dann auch für immer in Vergessenheit geraten. Doch die Zeit der heftigsten Bibelkritik ist gleichzeitig die Zeit der spektakulärsten Bibelverbreitung geworden. Wir hoffen, später noch mehr Gelegenheit zu haben, um hinzuweisen auf die vielen Angriffe, die auf die Bibel verübt wurden, die sich aber als vollkommen unbegründet herausgestellt haben. Jetzt geht es uns darum, zu zeigen, daß die Bibel einzigartig ist in der Art und Weise, wie sie die Jahrhunderte und die Angriffe überdauert hat. Kein denkender Mensch kann das leugnen.

Einzigartig in ihrem literarischen Charakter

Es ist eigentlich merkwürdig, daß die Bibel nicht in Alexandrien (Ägypten) oder Athen (Griechenland) – also in Zentren der Wissenschaften und Kultur – entstanden ist, und daß die Schreiber oft un- gelehrte Menschen waren. Sie waren keine großen Gelehrten, ja, sie sprachen, was ihre eigene Sprache anbelangt, manchmal nicht einmal die Hochsprache. Petrus sprach den Dialekt seiner Gegend. Die jüdischen Leiter waren erstaunt, daß die Apostel (unter ihnen einige der späteren Autoren des Neuen Testaments) ungeschulte, einfache Menschen waren – also bestimmt keine Menschen, von denen man literarische Meisterwerke erwartet hätte. Und doch ist die Bibel zu einer Sammlung literarischer Meisterwerke geworden, und das ist sie nicht allein für die alten Hebräer oder die frühen griechisch sprechenden Christen, sondern auch in den Sprachen aller kulturell hochstehenden Völker. Obwohl von Menschen eines kleinen Volkes geschrieben – noch dazu eines Volkes, das sich nie besonders für andere Völker oder für Weltmission interessiert hatte! – ist ihr Buch ein Weltbuch, das nicht nur das Interesse weniger Altertumsspezialisten fand, sondern in den Sprachen, in die es übersetzt wurde, sofort das größte literarische Werk wurde.

Das ist wirklich einmalig. Das Hochdeutsch, das wir sprechen, wurde geprägt vom ausdrucksvollen Deutsch der alten Lutherbibel; die holländische Sprache wurde geformt und entwickelt aus dem großartigen literarischen Sprachschatz der »Statenbibel«. Die englische Sprache hat ihre Prägung bekommen durch die Sprache der »Autho- rised Version« (der sogenannten King-James-Übersetzung). Frederick Starrison sagte einmal in einem College in Oxford in Beziehung auf die englische Ausgabe der Bibel: »Das Beste, das unsere Literatur in natürlich edler Prosa geben kann.« Und Thomas Carlyle schrieb über den Inhalt der Bibel: »Es ist die prächtigste literarische Kostprobe, die je aus menschlicher Feder geflossen ist.« Er kann darüber urteilen, ist er doch selbst ein Meister unter den Schriftstellern. Obwohl er kein Christ war, sagte der große englische Historiker Froude: »Die gründlich studierte Bibel ist eine Literatur für sich – die seltsamste und die reichste auf allen Gebieten des Denkens.« Sir William Jones, nach Aussage der Enzyclopaedia Britannica einer der größten Sprachkundigen und Kenner des Ostens, die England je hervorgebracht hat, schrieb auf der letzten Seite seiner Bibel: »Ich habe diese heiligen Schriften regelmäßig und andächtig gelesen und ich meine, daß dieses Buch… mehr Erhabenheit und Schönheit, mehr edle Moral, mehr wichtige Geschichte und schönere poetische Passagen und Schönheit der Sprache besitzt als alle anderen Bücher, in welchem Zeitalter oder in welcher Sprache sie auch immer geschrieben sein mögen.« Arthur Brisbane (einem Nichtchristen) zufolge enthält die Bibel glänzende Beispiele großer Literatur jeder Form: lyrische Poesie – die Psalmen, epische Poesie – die Genesis, dramatische Poesie – Hiob, historische Erzählkunst – die Bücher Samuel und Könige und Chronika, ländliche Idylle – Ruth, Vaterlandsliebe – Esther und Daniel, praktische Weisheit – Sprüche, philosophische Betrachtungen – Prediger, ergreifende Tiefe – Jesaja, Kurzgeschichten – die Evangelien, Briefe – die verschiedenen Episteln des Neuen Testaments, mitreißende Mystik – das Buch der Offenbarung.

Ein derartiges literarisches Meisterwerk konnte nicht ohne großen Einfluß auf die Weltliteratur bleiben. Seit 1900 Jahren gibt es einen langen literarischen Strom, der durch die Bibel inspiriert wurde: biblische Wörterbücher, Enzyklopädien, Lexika und Atlanten. Aber auch Tausende von Werken über Theologie, Religionsunterricht, Hymnologie, die Mission, die biblischen Schriften und Kirchengeschichte usw., ebenso viele religiöse Biographien, Bücher über die Moral, Kommentare, Religionsphilosophien, apologetische und dogmatische Werke. Dabei sprachen wir noch nicht einmal von den vielen tausend Gedichten, Novellen, Romanen, Liedern, Passions- und Schauspielen. Über die Hauptperson der Bibel, Jesus Christus, schreibt der Yale-Historiker K. S. Latourette: »Es ist ein Hinweis auf Seine Bedeutung, auf den Einfluß, den Er auf die Geschichte genommen hat, und vermutlich auf die rätselhafte Mystik Seines Wesens, daß kein anderes Wesen, das je auf diesem Planeten gelebt hat, so ein gewaltiges literarisches Volumen unter so vielen Völkern zuwege gebracht hat, und daß diese Flut, anstatt abzuebben, noch immer steigt.«

Einzigartig in ihrem moralischen Charakter

Noch wichtiger als der literarische ist der moralische Charakter der Bibel. Sowohl Christen als auch Nichtchristen haben erkannt, daß die klassischen Werke der Antike und die heiligen Bücher des Orients geistlich tot sind und manchmal gerade durch ihre große Unmoral auffallen. Prof. Max. Muller wagte es nicht, die Bücher der Hindus buchstäblich zu übersetzen, um nicht wegen Publikation obszöner Pornographie angezeigt zu werden. Es besteht eine nicht zu überbrückende moralische Kluft zwischen der Bibel einerseits und sonstigen religiösen Schriften andererseits. Einzigartig zeigt sich die Bibel darin, daß sie eine moralische Lehre darbietet, die dem Normalempfinden des Menschen radikal entgegengesetzt ist. Eine Moral, deren Inhalt beispielsweise darin zum Ausdruck kommt, daß wir unsere Feinde lieben und denen Gutes tun sollen, die uns hassen und verfolgen, daß wollüstige Blicke Ehebruch bedeuten und Haß Mord ist, kann mit Bestimmtheit einzigartig genannt werden. Die Bibel wurde ohne Zweifel von Menschen geschrieben. Und doch haben diese Menschen so völlig anders geschrieben, als Menschen das sonst irgendwo getan haben. Menschen schreiben gewöhnlich nicht so ungünstig über sich selbst, wie wir es zum Beispiel in Römer 3,10-23 lesen können. (»Da ist keiner, der Gutes tue, auch nicht einer.«) Auch erzählt man gewöhnlich nicht so einfach, wie man ohne viel Kampf vom Teufel überwunden wurde (1. Mose 3). Und welcher Mensch würde sich jemals eine Hölle ausdenken als ewige Strafe für Sünde und Unglauben, oder eine ewige Glückseligkeit für Sünder, die ohne Verdienst, aus lauter Gnade, einer Strafe enthoben werden, die sie genauso verdient hätten wie die Verlorenen? Normalerweise versucht der Mensch durch »gut sein«, Gott zu gefallen; menschliche Religion ist immer ein Rezept zur Besserung des Charakters und Benehmens. Aber diese Gedanken sind der Bibel vollkommen fremd. In ihr verkündigen Menschen, von Gott getrieben, daß die Erlösung Gnade ist, ein Geschenk Gottes, der die verlorenen Menschen retten will; daß der Mensch verloren ist und nichts anderes zu seiner Errettung tun kann, als an Jesus Christus zu glauben. Man bemerkt den Unterschied daran, wie über Sünde gesprochen wird. Die Menschen neigen normalerweise dazu, das Böse nicht so ernst zu nehmen. Sie nennen Sünden Fehler, Mängel oder schlechte Gewohnheiten. Aber die Bibel sieht in der Sünde Aufstand gegen den heiligen und gerechten Willen Gottes. Nehmen wir sexuelle Sünden. Gewöhnlich reagiert der Mensch prüde oder triebhaft, wenn über sexuelle Themen gesprochen wird. Die Bibel ist da ganz anders; sie ist niemals prüde, sondern nennt die sexuelle Sünde beim Namen; sie ist niemals wollüstig, sondern spricht unverblümt das Urteil über Mißbrauch. Im positiven Gebrauch, nämlich wo die Sexualität innerhalb der Ehe erlebt wird, zeigt die Bibel sie als ein Geschenk Gottes. Getrieben von ihren eigenen unreinen Gedanken, haben manche Leute die Bibel ein unsittliches Buch genannt, weil sie Sünden vieler Hauptpersonen unverblümt und offen beschreibt. Als absurd erweist sich diese Beschuldigung an der Tatsache, daß im Alten Testament sexueller Mißbrauch mit dem Tode bestraft wurde und das Neue Testament noch strenger urteilt, wenn es keine Bekehrung von diesem Übel gibt.

Vielleicht zeigt sich der moralische Standard der Bibel nirgends deutlicher als in der Tatsache, daß sie so offen die Sünden und Schwächen ihrer edelsten und meistgeliebten Hauptpersonen aufzählt. Manche Leute haben gerade das als ein Argument gegen die Bibel gebraucht und behaupten (ohne viel Selbsterkenntnis), daß die Menschen der Bibel minderwertige, unedle Leute waren, denen wir besser keine Beachtung schenken sollten. Nun, in der Tat, Noah war betrunken; David beging Ehebruch und Mord, und Petrus fluchte und leistete einen Meineid. Das war falsch – aber waren sie darin so anders als wir? Die Bibel zeigt den Menschen einfach wie er ist! Auch der anziehendste und edelste Mensch ist nicht besser als irgendjemand anderes. Die Bibel ist nicht wie einige Sonntagsschulheftchen: mit Geschichten ganz braver Kinder, die gewöhnlich jung sterben. Die Bibel ist lebensnah – in einer einzigartigen Weise.

Stellen wir uns doch einmal vor, daß die Bibel von einem religiösen Klub zusammengestellt und herausgegeben wäre – würden wir dann jemals etwas gehört haben über die listigen Lügen Abrahams, die feigen Verleugnungen des Petrus, den törichten Götzendienst Salomos, die Schande Lots, den Betrug Jakobs, den Streit zwischen Paulus und Barnabas oder die Eigenwilligkeit des Mose? Ganz sicher nicht. Eine Kommission von ehrerbietungswürdigen Geistlichen hätte uns eine Bibel vorgesetzt voller fleckenloser Menschen, Vorbilder tadelloser Frömmigkeit und heiligen Wandels und nicht eine Bibel, die arme elende Sünder beschreibt, die sie in Wirklichkeit waren. Schlimmer noch: Manche Bibelschreiber schämen sich nicht einmal, ihre eigenen Sünden zu beschreiben, z.B. Matthäus, Johannes und Paulus. Welche anderen Bücher gibt es noch, die solche bemerkenswerten Charakterzüge aufweisen?

Aber liegt hier nicht gerade die Ursache für die Emotionen um die Bibel? Der absolut einzigartige moralische Charakter dieses Buches zwingt den Menschen unwiderruflich zu einer Wahl, einer Entscheidung. Es scheint, daß niemand unberührt und neutral gegenüber der Bibel bleiben kann.

Ist das vielleicht auch der Grund, weshalb die Bibel das meistverkaufte, meistverbreitete, meistübersetzte und meistgelesene, aber auch das meistgehaßte Buch der Welt ist? Ist das der Grund, daß nie ein Buch so angegriffen, kritisiert, bestritten und vernichtet wurde wie die Bibel? Hassen sie die Bibel vielleicht aus demselben Grund wie ein Verbrecher das Gesetz, nach dessen Paragraphen er verurteilt wird?

Aber auch das Umgekehrte ist wahr: Die Bibel ist, wie schon gesagt, auch das meistgeliebte Buch der Welt. Christus sagte einmal von den falschen Propheten: »An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen … Jeder gute Baum bringt gute Früchte, aber der schlechte Baum bringt schlechte Früchte.« Genau dasselbe kann man von der Bibel sagen. Wenn ihre Moral nicht nur außerordentlich interessant, sondern auch gut und nützlich ist, kurz gesagt, wenn die Bibel ein gutes Buch ist, dann muß sich das an ihren Früchten zeigen. Markus Aurelius, Konfuzius und andere Moralisten schrieben hochstehende Standardwerke über die Ethik. Aber wer könnte ein Beispiel dafür anführen, daß ein Mensch dazu gebracht wurde, ein wirklich gutes und heiliges Leben zu führen, weil er diese Bücher studiert hat? Diese Bücher präsentieren wohl ein bestimmtes Ideal, aber die Praxis zeigt die Unmöglichkeit, den gefallenen Menschen auf das Niveau dieses Ideals zu stellen, weil die Kraft fehlt, die anscheinend nur die Bibel besitzt.

Die Bibel tut das, indem sie uns in Kontakt bringt mit Jesus Christus, der den gefallenen Menschen nicht »repariert«, sondern der für ihn gestorben ist. Der gefallene Mensch ist in und mit Christus gestorben – dessen darf sich nach Zeugnis der Schrift jeder sicher sein, der Christus in wahrhaftigem Glauben angenommen hat – und er ist in dem auferstandenen Christus ein vollkommen neuer Mensch geworden, eine neue Kreatur. Die biblische Antwort auf das moralische Problem des modernen Menschen ist eine persönliche, geistliche Wiedergeburt, wirkliche innerliche Lebensumwandlung – nicht Bekehrung zu einem System, sondern zu einer Person – und ein aufrichtiges, gläubiges Vertrauen zu dem auferstandenen Herrn Jesus Christus.

Von Tontafeln bis zur Buchdruckerkunst

Wir finden es heute selbstverständlich, daß wir in ein Geschäft gehen können, um eine gedruckte Bibel zu kaufen. Das war aber nicht immer so. Jahrhundertelang mußten sich die Christen in Europa, wenn sie etwas aus der Bibel erfahren wollten, mit Darstellungen von Holzschnitzereien, Glasmalerei an Kirchenfenstern und Wundererzählungen begnügen. Ansonsten mußten sie mit dem Brauch zufrieden sein, daß ihnen die Bibel in der Kirche vorgelesen wurde (gewöhnlich in Latein) – genau wie die Juden mit ihren Vorlesungen der heiligen Gesetzrollen in den Synagogen und ihren Talmud-Studien. Die Bibel war dem gewöhnlichen Volk nicht zugänglich. Das kam natürlich auch daher, daß es nur wenige Bibeln gab, weil sie ausschließlich von Hand durch Abschreiben vervielfältigt werden mußten. Wir können uns heute kaum vorstellen, daß ein Buch, dessen älteste Teile mindestens 3400 Jahre alt sind, während 85% dieser Zeit nur von Hand kopiert wurde!